Autismus und Wut

Anja 

Ich lese jetzt immer wieder mal so rum, wie "Experten" die beruflichen Möglichkeiten von Autisten so einschätzen. Und dann steht da in einem Text einer niederländischen Psychologin, dass es deswegen so schwierig wäre, weil Autisten ja zu so unkontrollierten Zornesausbruchen neigen würden. Es soll sich dabei um unerwartet ausbrechende Meltdowns handeln. Sie würdem deswegen (!) leichter einen Arbeitsplatz verlieren. Ach, ist das so?

Da bin ich stutzig geworden. Ich bin an meinem Arbeitsplatz noch nie urplötzlich ausfallend geworden.

Erstens mal bin ich nicht mit dem D-Zug durch die Kinderstube gerast, zweitens wäre mir das überaus peinlich. Im Gegenteil, ich war die Ruhigste von allen, was man ja auch und gerade von klassischen Küchenchefs ansonsten wirklich nicht behaupten kann.... weswegen ich wohl von einigen auch nicht ernst genommen wurde. 

Die testen dann gerne Grenzen aus. Gut, aber viele von solchen hab ich überstanden, hatte dennoch ein Superteam von Leuten, das froh war, dass ein sachlicher Ton herrschte. Irgendwann.

Meine MItarbeiter meinten immer, ich habe etwas Beruhigendes an mir, was das Stresslevel senkt. Das empfand ich auch als  besser so, denn wir hatten mitunter Riesenstress; wenn man aber für gute Atmosphäre sorgt, schafft man das auch trotzdem und viel besser! Man kommt auch abends weniger müde nach Hause.

Unter Druck und mieser Laune machen ja alle nur Fehler und verlieren die Lust.

Und dann hab ich mal darüber nachgedacht, wann ich im Leben eigentlich immer wirklich richtig stinkwütend und sauer wurde. Und ich darf sagen, dass das immer eine lange Vorgeschichte hatte, auch wenn Ausstehende das vielleicht nicht wussten...  Aber ich wusste es haargenau!
 

Bis mir wirklich die Hutschnur geplatzt ist,  war das ein langer Weg des permanenten Ertragens und Weglächelns,  aber wenn ich nach Ansicht einiger Mitmenschen in einer Tour  irgendwas tun sollte, was mir so wider die Natur geht, dass es nicht mehr zu ertragen war und wiederholtes Bitten, mir doch einfach mal meine Ruhe und mich Entscheidungen selbst treffen zu lassen, keine Beachtung geschenkt wurde.... konnte es irgendwann zu "ausdrucksstarken Verhaltensformen des Selbstvergessens" kommen!

Sowas passiert aber eher privat. Kollegen können einen anders an den Rande des Wahnsinns treiben. Nämlich wenn sie permanent nörgeln oder mir am Stuhlbein sägen. Aber das ist eine andere Geschichte.

Ganz echt: Ich finde diese unerbetene Beratungswütigkeit von einigen selbsternannten Superschlaumeiern eigentlich richtig  frech und übergriffig. 

Das Unerhörte dabei ist ja:  Selbst wenn sie ihren eigenen Kram nicht mal ansatzweise, geschweige denn vorbildlich geregelt bekommen, lassen die nicht von dieser Unsitte ab! ;)

Das ist doch eine absurde Projektion: Ich trete Dir erst 100x ans Schienbein und wenn Du sagst: "Es wäre nett die Treterei zu beenden, es schmerzt..." wird das ignoriert bis Du dann schließlich schreist: "AUA, das tut weh",  und genau das  werfe ich Dir dann  obendrein auch noch vor. 
Also bitteschön!!!

Was sagt ihr denn dazu? Freuen uns über Kommentare in unserer FB-Gruppe!
 
P.S. Als Kind war es doch ähnlich. Folgende Sätze klingeln mir bis heute im Ohr:
"Setz dich doch mal anders hin, musst Du schon wieder lesen, lass das doch jetzt mal, wir wollen jetzt aber alle zusammen was machen, hörst Du mir eigentlich zu, nein - wir machen jetzt was anderes, das kannst Du später machen usw. usw..."  und selbst da bin ich lange ruhig geblieben. Lange, sehr lange...
ABER DANN!!!!
 
P.P.S.  Und was kommt dann: "Ich habs doch nur gut gemeint!"  Ahhhhh!